Sie erleben Chaos und Gewalt und lernen das Koma-Saufen: Millionen Kinder wachsen in Deutschland bei alkoholkranken Eltern auf. Ein neues Konzept soll helfen.Die betrunkene Mutter bringt das Pausenbrot in die Schule, der Vater droht im Rausch mit Schlägen: Neun Nachmittage sprach die Kasseler Sozialpädagogin Michaela Jung mit sechs Kindern alkoholabhängiger Eltern über den Alltag in Suchtfamilien. Bei ihr im Diakonischen Werk erlebten die Heranwachsenden, dass sie nicht alleine sind.
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Mindestens 6,5 Millionen Bundesbürger trinken nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren in gesundheitsschädigendem Ausmaß Alkohol. Die elterlichen Trinkgelage sind für ihre Kinder oftmals katastrophal. Ähnliche Gruppen gab es in den vergangenen zwei Jahren bei insgesamt bundesweit 28 Beratungsstellen. Sie waren Partner des vom Bund finanzierten Modellprojekts „Trampolin“. Forscher aus Köln und Hamburg sehen in dem Konzept die Chance, mehr Betroffenen zu helfen. 2,65 Millionen Kinder in Deutschland leben Expertenschätzungen zufolge bei alkoholabhängigen Eltern. Doch Therapien für abhängige Eltern bezögen nur in zehn Prozent der Fälle die Kinder mit ein, sagt Professor Michael Klein. Er ist Leiter des Deutschen Instituts für Sucht- und Präventionsforschung der Katholischen Fachhochschule Köln.
Alkoholkonsum und seine Folgen
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Kinder Alkoholabhängiger erlebten häufig Chaos und Gewalt. Jedes dritte dieser Kinder werde später selbst süchtig, erklärte Klein am Donnerstag beim Deutschen Suchtkongress in Frankfurt.Einer, der in einer Suchtfamilie aufwuchs, ist Henning Mielke. „Meine Eltern waren für mich emotional nicht erreichbar“, erinnert sich der 43-Jährige. Als Vorsitzender von Nacoa, einem Interessenverband für Kinder aus Suchfamilien, weiß der in Berlin lebende Mielke heute, dass er kein Einzelfall war. Während der Alkoholkranke an die Sucht denke, kümmerten sich die Kinder um Geschwister und Haushalt, berichtet er. Das Ziel des „Trampolin“-Angebots beschreibt Suchtforscher Klein darum auch so: „Die Kinder sollen lernen, für sich selbst zu sorgen und nicht wie bisher für die Eltern.“ Das von ihm und der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf initiierte Modell mit je neun Gruppentreffen soll die Hilfe erleichtern. Es ist überschaubarer und günstiger als eine Einzelbetreuung, die zumeist nur den Süchtigen selbst im Blick hat. Immer mehr Jugendliche landen im Krankenhaus
Foto: Infografik WELT ONLINE Die Statistik zeigt: Nicht nur unter Jugendlichen, auch in der Bevölkerung insgesamt steigt die Zahl der Fälle, bei denen Menschen mit der Diagnose "Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol" (F10) im Krankenhaus behandelt werden müssen
„Das Hauptproblem war, die Kinder zu finden“, berichtet Sozialpädagogin Jung aus Kassel. Das Thema sei ein Tabu für Eltern, Lehrer, Erzieher - und für die Kinder. „Selbst, wenn in einer Klasse drei Schüler sind mit diesem Problem, tauschen sie sich ja nicht aus“, sagt Jung. In Kassel knüpften Jugendamt und ambulante Suchtberatung die Kontakte. Bei den neun Treffen erhielten die Acht- bis Zwölfjährigen Alltagstipps und Informationen über Sucht. Es gab Rollenspiele und Fantasiereisen. Beraterin Jung sprach auch mit den Eltern: „Das gemeinsame Ziel ist, dass es den Kindern gut geht - das wollen auch Eltern, die ein Problem haben.“
Droge Alkohol unterschätzt
Trotzdem ist unklar, wie viele Kinder noch von „Trampolin“ profitieren. 2012 endet das Modellprojekt. Und Geld für Angehörigen-Arbeit gebe es meist nicht, beklagt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen.Das Diakonische Werk Kassel will die Kinder trotzdem nicht alleine lassen. Beraterin Jung bemüht sich um Spenden und baut eine neue Gruppe auf.
Mehr Informationen zum Thema:
Projekt Trampolin
NACOA Deutschland
Mehr jugendliche Komasäufer
dpa/oc
ihr habt keine ahnung was das für eine Hölle ist für Kinder....!, ich leide immer noch darunter, jeden Tag, ob ich es will oder nicht. Höre ständig das Brüllen meines Vaters und das Aufschreien meiner Mutter wenns mal wieder Schläge gab und das 17 Jahre lang !!! Meine Hauptaufgabe war es, mich um meinen kleinen Bruder zu kümmern, nur durch ihn hielt ich durch. Heute frage ich mich wie ich so lange in diesem Zustand ausharren konnte, ich habe nur einen Wunsch, dass die Erinnerungen aufhören, dann käme ich zur Ruhe....
AntwortenLöschenEs tut mir echt Leid, was Ihnen passiert ist. Und ich hoffe, dass es Sie loslässt.
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