Nach Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach glaubt mehr als jeder Zweite in Deutschland: Viele Arbeitslose wollen gar nicht arbeiten. Lediglich ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass es sich dabei nur um Einzelfälle handelt. Sind die Arbeitslosen im Land wirklich in großer Zahl arbeitsscheu, bequem oder zu anspruchsvoll?
Neun von zehn Hartz-IV-Empfängern weisen mindestens ein Vermittlungshemmnis auf, viele sogar mehrere. Sie haben beispielsweise keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung, sie leiden unter gesundheitlichen Einschränkungen, sie sind älter oder alleinerziehend, sie haben einen Migrationshintergrund und verfügen über schlechte Deutschkenntnisse - die Liste ist lang, und jeder Punkt verringert deutlich die Chancen auf einen Job.
Hartz-IV-Empfänger akzeptieren auch eine schlechte Bezahlung
Ein anderer Faktor ist die regionale Verfügbarkeit von Jobs. In den Boom-Regionen Deutschlands - wie in manchen Gegenden Bayerns oder Baden-Württembergs - ist die Langzeitarbeitslosigkeit sehr gering. Das liegt nicht daran, dass es dort weniger Faule gibt, sondern einfach mehr Jobangebote. Wo die Arbeitsplätze rar sind, laufen die Bemühungen um eine reguläre Beschäftigung dagegen häufig ins Leere.
In aller Regel sind nicht zu hohe Ansprüche die Ursache, denn die meisten arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger sind durchaus bereit, eine geringe Bezahlung zu akzeptieren. Der sogenannte Anspruchslohn - der geringste Lohn, zu dem eine Person bereit ist, zu arbeiten - liegt bei diesem Personenkreis im Mittel unter sieben Euro pro Stunde.
Eine IAB-Studie ergab, dass Hartz-IV-Empfänger, die eine Beschäftigung aufnahmen, im Durchschnitt auch tatsächlich weniger als 7,50 Euro brutto in der Stunde verdienten. Fast ein Drittel nahm eine Tätigkeit an, die nicht dem Ausbildungsniveau entsprach. Zum Vergleich: Insgesamt arbeiten etwa 15 Prozent der Beschäftigten in Deutschland unterhalb ihres Ausbildungsniveaus.
Nur 60 Prozent der Hartz-IV-Empfänger müssen einen Job suchen
All das spricht gegen die Auffassung von den vielen faulen Arbeitslosen. Ein weiteres gewichtiges Gegenargument: Mehr als die Hälfte der Hartz-IV-Empfänger zwischen 15 und 64 Jahren geht mindestens 20 Stunden pro Woche einer nützlichen Tätigkeit nach. Sie erziehen Kinder unter sieben Jahren, pflegen Angehörige, arbeiten und benötigen dennoch ergänzendes Arbeitslosengeld II, bilden sich weiter oder befinden sich in einer Fördermaßnahme.
Mein Fazit lautet daher: Bei der großen Mehrheit der Arbeitslosen sind keineswegs fehlende Motivation oder Konzessionsbereitschaft die Gründe für den fehlenden Job. Sie zu diffamieren hilft nicht weiter und ist unfair.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen