Freitag, 11. November 2011

Wahrnehmung von Wachkomapatienten wird verkannt

http://www.welt.de/gesundheit/article13709809/Wahrnehmung-von-Wachkomapatienten-wird-verkannt.html

Hirnforscher haben die Hirnströme von Wachkomapatienten mit gesunden Menschen verglichen: Der Zustand vieler Betroffener wird offenbar falsch eingeschätzt.

Manche Wachkomapatienten nehmen ihre Umwelt wahr und reagieren direkt auf Einflüsse, auch wenn sich ihr Körper nicht bewegt. Das fanden Wissenschaftler in einer Untersuchung heraus, indem sie die Gehirnströme von Koma-Patienten untersuchten.
Foto: pa Viele Wachkomapatienten nehmen von der Umwelt mehr wahr, als gedacht. Wenn EEG-Verfahren weiterentwickelt würden, könnten diese zur Kommunikation mit den Patienten genutzt werden

Die Forscher plädieren nun für eine Weiterentwicklung des von ihnen genutzten EEG-Verfahrens, um eine Art Kommunikation mit den Patienten herzustellen.

Fällt ein Mensch nach einem Unfall oder einem Infarkt ins Koma, dauert dieses normalerweise nicht länger als ein paar Wochen. Etwa ein Drittel der Schwerverletzten tritt dann in das sogenannte Wachkoma ein, auch Apallisches Syndrom genannt. Die Patienten sind wach, die Augen sind geöffnet, sie atmen selbstständig. Doch sie zeigen nur Reflexe.Durch Untersuchungen mittels Elektroenzephalogramm (EEG), wodurch sich elektrische Hirnströme und damit die Aktivität des Gehirns überprüfen lassen, testeten Forscher vom Gehirnzentrum der kanadischen Universität in Western Ontario insgesamt 16 Wachkomapatienten und zwölf gesunde Menschen.Drei der 16 Patienten zeigten genaue und andauernde EEG-Anzeichen, als sie aufgefordert wurden, sich vorzustellen, zum Beispiel ihre rechte Hand oder ihre Zehen zu bewegen. Obwohl sich die Kranken nicht bewegten, stimmten ihre Gehirnströme mit denen der Kontrollpersonen überein. Bei einem EEG werden Sensoren auf der Kopfhaut angebracht, um elektrische Signale aus dem Gehirn aufzuzeichnen.Der vermeintliche Wachkomapatient aus BelgienFoto: REUTERS Rom Houben aus Belgien wurde für einen Wachkomapatienten gehalten - genau 23 Jahre - dabei war er bei vollem Bewusstein.Die Autoren der in der britischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichten Studie wollten zwar keine Aussage über die „innere Welt“ der Patienten treffen. Sie verwiesen aber darauf, dass das Verstehen der Frage sowie das Umsetzen im Gehirn eine Anforderung an komplexe Prozesse sei. Viele Patienten im Wachkoma würden falsch eingeschätzt, hoben die Autoren hervor.

„Die EEG-Methode ist billig, transportabel, umfassend verfügbar und objektiv. Damit könnten alle Wachkoma-Patienten erreicht und ihre Kranken-Beurteilung grundlegend verändert werden.“


Erlösung nach 23 Jahren Isolation

Das EEG-Verfahren gilt als weniger sensibel als moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie, die aber sehr teuer ist und nicht bei Patienten mit Metallteilen im Körper zum Einsatz kommen kann. Dies ist bei Wachkomapatienten, die oft durch Autounfälle einen Gehirnschaden erleiden, häufig der Fall.

Die Autoren der Studie meinen nun, wenn die EEG-Diagnose weiterentwickelt würde, könnte sie über einfache „Ja/Nein“-Fragen hinaus zur Kommunikation genutzt werden.

Mehr Information zum Thema: Wachkoma-Forum
AFP/oc

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