http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,790344,00.html
06.10.2011
Rätselhaftes Schwarmverhalten
Riesenfisch-Plage in der Rhône verblüfft Biologen
Berlin - Es soll Menschen geben, die schwimmen nicht gern in Seen
oder Flüssen. Schließlich könnten sie dort von einem Fisch gestreift
werden. Selbst die kurzzeitige Berührung mit einem Wasserbewohner
empfinden diese Menschen als unangenehm. Wenn man einen Blick auf die
Bilder wirft, die französische Forscher in der Rhône nahe der Stadt Lyon
gemacht haben, kann man das möglicherweise (noch) besser verstehen.
Zwischen Mai 2009 und Februar 2011 haben Wissenschaftler um Frédéric
Santoul von der Université de Toulouse eine Invasion von Flusswelsen in
der Rhône beobachtet. Jetzt berichten sie
im Fachmagazin "PLoS ONE",
dass sich die Fische dort zudem in großen Gruppen aufgehalten haben.
Eine außergewöhnliche Beobachtung, denn normalerweise sind die Welse
eher Einzelgänger. Die Biologen aber zählten bis zu 44 Tiere in einer
Gruppe. Und: Die ohnehin großen Fische waren auffällig groß. Eine Länge
von bis zu 2,10 Meter erreichten manche Welse. Dadurch habe sich eine
Biomassedichte von bis 40 Kilogramm pro Quadratmeter Flussgrund ergeben,
schreiben die Forscher.
Warum sich die Tiere derart dicht drängen, können die Wissenschaftler
sich jedoch nicht erklären. Sie schließen aber aus, dass es den Fischen
um Fortpflanzung, Futtersuche oder den Schutz vor Angreifern gegangen
sein könnte. Im Gegensatz zu einem klassischen Fischschwarm hätten sich
die Welse alle in verschiedene Richtungen bewegt und seien manchmal
sogar kollidiert - keine Spur von koordinierten Bewegungen.
Die Flusswelse sind nach Angaben der Biologen aus Osteuropa in die
Rhône gekommen. Vor rund 150 Jahren wurden sie vom Menschen dort
angesiedelt. Deswegen sei es besonders interessant, wie die Tiere das
Ökosystem des Flusses beeinflussen. Dass sie es tun, steht außer Frage -
schon allein durch die großen Mengen Phosphor und Stickstoff in den
Ausscheidungen der Fische. Die Flusswelse sind etwa fünf Mal so schwer
wie die anderen Bewohner der Rhône in diesem Bereich. Und sie scheiden
auch dementsprechend viele Fäkalien aus.
Santoul und seine Kollegen schreiben, dass die Welse bis zu 286 mal
mehr Phosphor und bis zu 56 mal mehr Stickstoff in das Flusswasser
abgeben als bisher bekannte Fischvorkommen im Süßwasser. Sie sprechen
von einem biogeochemischen Hotspot, also einen Bereich, in dem weit mehr
Nährstoffe zur Verfügung stehen als genutzt werden können. Vielleicht
ist das auch ein Grund, mit dem Baden in der Rhône in Zukunft etwas
zurückhaltender zu sein. Andererseits durchfließen den betrachteten
Flussabschnitt nach Angaben der Wissenschaftler etwa 150.000 Liter
Wasser - pro Sekunde.
chs
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